Panel 3: Redefinitionen von Musik und Tanz im Bildungskanon

Samstag, 29.10.2022, 13:00–14:30 Uhr

Ort: Fanny Hensel-Saal, Anton-von-Webern-Platz 1

Die institutionalisierte musikalische Bildung und Ausbildung ist in Österreich maßgeblich durch sogenannte westliche Kunstmusik geprägt. In geringerem Ausmaß sind Jazz, internationale Popularmusik und österreichische Volksmusik vertreten, wobei letztere meist auf Praktiken und Repertoires beschränkt wird, die der deutschsprachigen Mehrheit zugerechnet werden. Musiken von Minderheiten, insbesondere solche von offiziell nicht anerkannten Communities, sind selten oder gar nicht vertreten. Der Ausschluss dieser Musiken aus den offiziellen Bildungskanons impliziert eine öffentliche Abwertung.

In diesem Panel diskutieren Menschen, die daran arbeiten, musikalische Kanons im Bildungsbereich zu erweitern und zu diversifizieren, über Fragen wie bspw.: Welche Initiativen gibt es im Bildungsbereich? Wie sehen ihre Ziele Methoden und Bildungskonzepte aus? Welchen Widerständen und Problemen müssen sie sich stellen? Welche strukturellen Veränderungen sind notwendig? Wodurch werden diese verhindert, wer profitiert vom Status quo?

Am Podium:

Marwan Abado wurde als Sohn einer palästinensischen Familie in einem Flüchtlingslager in Beirut (Libanon) geboren. 1985 kam er nach Österreich und setzt hier seine musikalische Ausbildung beim irakischen Oud-Meister Asim Chalabi fort. In Wien findet er als Musiker, Sänger, Komponist und Poet eine neue Heimat. Gefühlvolle Texte (aus eigener Feder oder von anderen zeitgenössischen arabischen Dichtern) stellen Abados Kompositionen in einen poetischen Zusammenhang. Sein Schaffensbereich umfasst über mehr als 20 CD-Produktionen, Film-, Theater-, Kindertheater und Kirchenmusik ebenso wie konzeptuelle Tätigkeiten im Kulturbereich und die Vortragstätigkeit über arabische Musik. Website: www.abado.net

Geboren im heutigen Bosnien-Herzegowina, wächst Nataša Mirković in Sarajevo mit traditioneller Musik Ex-Jugoslawiens auf. Zu Hause lernt sie Volkslieder und hört internationale Jazz-, Rock-, Popmusik, in der Stadt begegnet ihr sephardische Musik. Nach erstem Klavier- und Gesangsunterricht arbeitet sie mit Studiomusikern im Jazz-, Pop- und Rockmusikbereich und wird Mitglied mehrerer Bands, deren Repertoire von Renaissancemusik über bosnische Volkslieder bis hin zu zeitgenössischem Jazz reicht. Nach Studien der Musikwissenschaft in Sarajevo und Graz studiert sie klassischen Gesang (bei A. Zeller, J. Borowska, H.M. Molinari) und arbeitet fünf Jahre lang als Sängerin an der Oper Graz, kurz auch an der Volksoper Wien. Darüber hinaus singt sie und macht Produktionen im Theaterbereich in Richtung Schauspiel und Musiktheater. Ihre eigenwillige Stimmführung und Interpretation vermittelt Nataša Mirković bei vielen ausgefallenen Projekten, u.a. der vielgelobten Neuinterpretation von Schuberts Winterreise mit dem Drehleierspieler Matthias Loibner. Preise erhält sie 2005 mit dem Duo „Ajva & Sterz“ (Worldmusic-Preis Ö), 2011 mit „Winterreise“ (Pasticcio-Preis, Radio Ö1) und 2017 mit „En El Amor“ (Preis der Deutschen Schallplattenkritik – Kategorie Grenzgänge ). 2011 gestaltet sie mit Oscar-Preisträger Gabriel Yared und singt sie das Titellied für „In the Land of Blood and Honey“, dem Regiedebüt von Angelina Jolie. Inspiriert durch die Lehrtätigkeiten an unterschiedlichen Institutionen, Musikhochschulen und bei internationalen Workshops in CH, F, BG, A, D, BH arbeitet sie an dem Buch „Universelle Stimmführung“. Aktuell hat Nataša Mirković an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien eine Professur für Gesang am Institut für Popularmusik inne. Website: www.natasa-mirkovic.com

Eduard Oraže wurde 1971 in Klagenfurt am Wörthersee geboren und wuchs in Ferlach in einem kärntner-slowenischen Familienverband, in dem viel gesungen wurde, auf. Die schulische Ausbildung erfolgte in Ferlach und Klagenfurt. Nach dem Studium an der Pädagogischen Akademie (PÄDAK) in Klagenfurt ist er seit 1994 als Volksschullehrer tätig, seit 2008 leitet er die “Volksschule – Ljudska šola 24” in Klagenfurt am Wörthersee, die auch für das immersive Sprachenmodell sowie das musikalische Engagement bekannt ist.
Musikalische Ausbildungen absolvierte er an der slowenischen Musikschule (Klavier, Chorleiterlehrgang und Stimmbildung) und am Kärntner Landeskonservatorium (Chorleiterlehrgang bei Prof. Roland Streiner, Kompositionsstudium bei Prof. Alfred Stingl). Seine musikalischen Tätigkeiten reichen von der Chorleitung bzw. vom Chorgesang über das Komponieren bis zu Beteiligungen an Theaterprojekten.


Moderation:

Marko Kölbl ist Senior Scientist am Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Er beschäftigt sich mit Musik und Tanz bei Minderheiten und migrantischen Communities mit einem Fokus auf intersektionale, queer-feministische und postkoloniale Perspektiven. Thematische Forschungsschwerpunkte sind Tod und Trauer, Stimme, Tanz sowie Geschlecht. Laufende Feldforschungen zu Minderheiten, insb. Burgenlandkroat_innen sowie zu Flucht und Migration, insb. Afghanistan. Forschungsaufenthalte in Kroatien, Bosnien und Herzegowina und dem Iran. Marko Kölbl ist Chair der ICTM Study Group of Music, Gender and Sexuality Sexuality, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen der mdw, Teil des Leitungsteams der isaScience und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des MMRC.